Big Data steht für das 21. Jahrhundert wie kein anderes Thema. Allerdings zeigen Historiker von der Max-Planck-Gesellschaft, dass auch in der Vergangenheit große Datenmengen ausgewertet wurden. Vor allem war die Datenauswertung eine typisch weibliche Heimarbeit. (Foto: Hannes Grobe/AWI, CC BY 3.0)

Big Data: Als Daten laufen lernten

Beitrag teilen

Big Data steht für das 21. Jahrhundert wie kein anderes Thema. Allerdings zeigen Historiker von der Max-Planck-Gesellschaft, dass auch in der Vergangenheit große Datenmengen ausgewertet wurden. Vor allem war die Datenauswertung eine typisch weibliche Heimarbeit.  (Foto: Hannes Grobe/AWI, CC BY 3.0)

Big Data. Es ist ein Mega-Thema unserer Zeit. Es bildet die Grundlage für Künstliche Intelligenz, Virtual und Augmented Reality, predictive analytics und autonome Fertigungsbetriebe. Wer sich mit Big Data beschäftigt, der blickt in Richtung Zukunft. Eine Gruppe von Wissenschaftshistorikern am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin stimmt dieser Aussage nur bedingt zu.

Elena Aronova, Christine von Oertzen und David Sepkoski rekonstruieren in ihrem Forschungsprojekt, welche Methoden Preußische Verwaltungen eingesetzt haben, um die riesigen Datenmengen auszuwerten. Auch in der Vergangenheit wurden umfangreiche Daten über die Bevölkerung gesammelt und gestapelt – besser gesagt: Striche gezählt. “Ausstricheln” nannte man das Verfahren, in dem die Auszähler in jede passende Rubrik einen Strich gesetzt haben. Später wurden sie zusammengezählt. Es war ein langwieriges, teures und fehleranfälliges Verfahren.

Vom Zählblättchen zur Zählkarte - eine Revolution

Zwanzig Jahre später wurde das Ausstricheln durch das “Zählblättchen” ersetzt. Es mag für heutige Ohren ungewohnt klingen, aber der Umstieg war eine echte Revolution. Zum ersten Mal wurde das ursprüngliche Datenmaterial in eine Tabelle überführt, wodurch die Daten weiterverarbeitet werden konnten. Eine Revolution war es, weil erstmals möglich wurde, Daten zu korrelieren. Echte statistische Analysen ermöglichte die so genannten Zählkarten, die auf das Zählblättchen folgten.

Sie hatten etwa DIN A5-Format und waren damit knapp vier Mal größer als das Zählblättchen, aber ähnlich handlich. Auf ihnen mussten die Einwohner Preußens zahlreiche Angaben zu sich selbst (Alter, Geburtsort, Familienstand, Lesefähigkeit) machen. Damit sparte Engel die Erhebungslisten und den Zwischenschritt der manuellen Datenübertragung auf das Zählblättchen ein. „Die preußischen Statistiker waren ganz begeistert von der neuen Möglichkeit, unterschiedliche Kriterien zu kombinieren“, sagt die Historikerin Christine von Oertzen.

Kindersterblichkeit und Armut statistisch sichtbar

Sie gingen dazu über, die Kärtchen in drei Auszählungsdurchgängen auszuwerten, jeweils nach mehreren Kriterien. Jetzt konnte man etwa gezielt verwitwete katholische Frauen auf dem Land erfassen oder alleinstehende evangelische Arbeiter in Kleinstädten. Genau das war das Ziel des ambitionierten Statistikers Engel gewesen: Er wollte ein Verfahren, das nicht nur das Auszählen verbesserte, sondern das Material für eine weiterführende Lesbarkeit aufbereitete. Erstmals wurde möglich, soziale und ökonomische Phänomene sichtbar zu machen. Die gesammelte Materialmasse wies auf Kindersterblichkeit hin oder bot ein Armutsindikator.

Als Wissenschaftshistorikerin interessiert sich Christine von Oertzen besonders für die Entwicklung von Technologien und deren konkrete Anwendungen. In der Umstellung von Listen auf bewegliche Papierdatenträger wie Zählblättchen und Zählkarte in Preußen nach 1860 sieht sie eine bisher wenig beachtete Revolution im Umgang mit Daten: „Die Daten wurden aus den starren Listen gelöst, sie lernten sozusagen laufen. Das ist der Beginn der modernen Datenverarbeitung, nicht die Einführung von Hollerith-Maschinen und die Mechanisierung.“

Datenauswertung: “wie Einbringen der Ernte”

Die Einführung von Zählblättchen und Zählkarte eröffnete der preußischen Verwaltung außerdem die Möglichkeit, die Datenauswertung im Wortsinne auszulagern: Sie wurde zu einer typisch weiblichen Heimarbeit. „Die Daten mussten schnell ausgewertet werden, es war wie Saisonarbeit, wie das Einbringen der Ernte“, erklärt sie. „Daten kommen uns ja oft unphysisch vor.“ Doch als sich von Oertzen in die preußische Datenverarbeitungsgeschichte um 1900 vergrub, bekamen die Daten „Hände und Füße“, wie sie es nennt, und wurden fassbar: als Millionen von Kärtchen, die in Berlin zwischen dem Zensusbüro und ausgewählten Privatwohnungen hin- und hergeschickt wurden.

Was bedeuten diese Erkenntnisse aus der Wirtschaftsgeschichte für Big Data heute? „Natürlich interessiert uns die Frage nach Kontinuitäten beziehungsweise Brüchen“, sagt von Oertzen. Der Digitalisierung zum Trotz – auch bei Big Data heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, sei viel menschliche Arbeit im Spiel: Um die Datenmassen kompatibel zu machen, zu pflegen und nutzbar zu halten. „Das sind Dinge, die wir heute so gern vergessen“, meint die Historikerin. Die Historikergruppe zweifelt an der vollständigen Erfassung der Realität durch Daten.

Big Data und Vollständigkeitsträume

Sie sprechen dabei von “Vollständigkeitsträumen”, die damals und heute im Lichte der Big Data vorherrsche. Historisch neu im Digitalzeitalter ist in den Augen der Wissenschaftshistoriker die Möglichkeit, Daten ganz aus ihrem ursprünglichen Kontext zu lösen. Einmal gesammelte und digitalisierte Informationen sind nicht mehr lokal verortet und können heute, völlig aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gelöst, weiter genutzt werden. (Max-Planck-Gesellschaft/iovolution.de)

Der vorliegende Text enthält Textpassagen aus dem Beitrag “Daten zum Stapeln” (Autorin: Tina Heidborn) vom 7. April 2017.

Den vollständigen Text können Sie hier online lesen (ext.).

Beitrag teilen

Wer oder was ist die Iodata GmbH?

Die digitale Transformation der Wirtschaft, die auch unter dem Begriff Industrie 4.0 diskutiert wird, ist ein Megatrend, der alle Arbeits- und Lebensbereiche durchdringt und sie verändert. Sie betrifft das Bildungssystem genauso wie das Gesundheitswesen, die Kommunen ebenso wie den Handel und selbstverständlich auch die industrielle Hochtechnologie, die das Herzstück des deutschen Standorts bildet. Umso wichtiger ist es, diese vielfältigen und dynamischen Entwicklungen der digitalen Transformation übersichtlich darzustellen und verständlich zu erklären. Wie wichtig dies ist, kennen wir aus unserer täglichen Arbeit bei der Iodata GmbH. Als Daten-Spezialisten strukturieren, analysieren und visualisieren wir Unternehmensdaten, damit das Management begründete und fundierte Entscheidungen treffen kann. Um die vielfältigen Entwicklungen der Digitalisierung zu beschreiben und zu verstehen, müssen ergänzend zu den quantitativen Daten auch qualitative Indikatoren beachtet werden. Denn heute blicken wir auf dem Fundament von Business Intelligence auf neue Herausforderungen: Smart Data, künstliche Intelligenz, autonome Fertigungsbetriebe, vernetzte Fabriken, Mensch-Roboter-Kollaborationen, predictive analytics, Internet der Dinge oder virtuelle Realitäten, um nur einige Highlights zu nennen. Iovolution.de ist daher nicht nur ein Online-Magazin, das sich an Entscheider aus Wirtschaft, Verbände, Politik und Wissenschaft wendet. Es ist eine Erweiterung des Angebots der Iodata GmbH: ein Instrument zur Trend- und Innovationsbeobachtung.

Wer oder was ist Qlik?

Qlik unterstützt Unternehmen auf der ganzen Welt, schneller zu reagieren und intelligenter zu arbeiten. Mit unserer End-to-End-Lösung können Sie das Potential Ihrer Daten maximal ausschöpfen und die Grundlagen für eine erfolgreiche Zukunft legen. Unsere Plattform ist die einzige auf dem Markt, die Ihnen uneingeschränkte Auswertungen ermöglicht, bei denen Sie sich ganz von Ihrer Neugier leiten lassen können. Unabhängig von seinem Kenntnisstand kann jeder echte Entdeckungen machen und zu konkreten geschäftlichen Ergebnissen und Veränderungen beitragen. Bei Qlik geht es um viel mehr als um Datenanalysen. Es geht darum, Menschen zu ermöglichen, die Erkenntnisse zu gewinnen, die echten Wandel vorantreiben. Dass wir beispielsweise Gesundheitssysteme beim Aufdecken von Abweichungen in der Versorgung unterstützen, damit sie Patienten erfolgreicher behandeln können. Einzelhändlern helfen, ihre Lieferketten transparenter zu machen und für einen ungehinderten Warenfluss zu sorgen. Oder durch Nutzung von Daten unseren Beitrag zur Bewältigung großer sozialer Probleme wie den Klimawandel zu leisten. Mit anderen Worten: Es geht uns darum, etwas zu bewirken. 

(C) iovolution.de - iodata GmbH 2020 in Zusammenarbeit mit futureorg Institut - Forschung und Kommunikation für KMU

Teilen mit: