Geprägt durch Missverständnisse kämpft die Philosophie des Lean Managements für eine etablierte Stellung in der Betriebswelt. In der Digitalisierung setzt sich dieser Kampf fort. Es stellt sich dabei die Frage, was wichtiger ist: Menschen, Prozesse oder Daten?

Lean Management und Analytics: Den Menschen in den Fokus rücken

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Geprägt durch Missverständnisse kämpft die Philosophie des Lean Managements für eine etablierte Stellung in der Betriebswelt. In der Digitalisierung setzt sich dieser Kampf fort. Es stellt sich dabei die Frage, was wichtiger ist: Menschen, Prozesse oder Daten?

Erst im letzten Jahrzehnt befanden sich Unternehmen in einer regelrechten Lean-Welle. Sie strebten an, Prozesse aller Branchen zu optimieren und so ein schlankes Unternehmen zu erschaffen. Eine Studie der Unternehmensberater Staufen AG zeigt jedoch ein anderes Bild: Im Jahr 2016 richteten sich letztendlich nur sieben Prozent der deutschen Unternehmen nach der Lean-Philosophie aus. 

Viele Betriebe stürzen sich zwar mit Schlagwörtern wie Kaizen, Null-Fehler und SMED in die Prozessumstellung, scheitern aber schnell bei der Verankerung dieser neuen Denkweise. Im exklusiven Interview mit iovolution.de erklärt Ralf Volkmer, Gründer des Portals leanbase.de, dass die meisten Entscheider das Lean Management im Grunde falsch verstehen. „Methoden bringen erstmal gar nichts”, sagt Volkmer. “Vor Kopieren muss Kapieren kommen!“

Warum waren japanische Autobauer erfolgreicher als Deutsche?

Das Missverständnis beginnt bereits in der Wortherkunft des Lean-Begriffes. Will man die Philosophie dahinter verstehen, ist es erforderlich, sowohl die Entwicklungsgeschichte als auch die fundamentalen Prinzipien des Lean Managements zu verinnerlichen. 

Zum ersten Mal taucht der Lean-Ansatzes im Buch Die zweite Revolution in der Automobilindustrie aus 1990. Die amerikanischen Ökonomen James P. Womack, Daniel T. Jones und Daniel Roos verschlug es im Rahmen eines Forschungsprojektes nach Japan. Sie wollten dem Geheimnis des asiatischen Erfolges in der Automobilbranche auf den Grund gehen. Damals waren die westlichen Automobilhersteller mit zahlreichen Krisen konfrontiert, die japanische Autobauer besser zu bewältigen schienen. 

Da war zum einen der Wandel vom Verkäufermarkt zum Käufermarkt. Aufgrund der vielfältigen Angebote veränderten sich sowohl der Anspruch der Kunden als auch ihr  Kaufverhalten. Musste der Konsument früher zum Produkt, so musste nun das Produkt beim Käufer beworben werden. Mit der Vielfalt der Angebote und den Zugängen zu neuen Märkten, beispielsweise in Asien, wuchs zudem die Marktkonkurrenz. Zum anderen erlebte die Autobranche verheerende Verluste durch Ölkrisen, die durch die Golfkriege ausgelöst wurden. 

Hinzu kam die Krise der Fließbandarbeit. Bildete sie das Kernwesen der Autoproduktion, führte diese Form der Arbeit zu einer Entfremdung der Beschäftigten. Ein Wertewandel hat stattgefunden, ein neuer Zeitgeist kam auf; der Wunsch nach Selbstverwirklichung überragte zunehmend den Anspruch nach der bloßen ökonomischen Existenzsicherung. Wie konnten Toyota Motor Corporation und die anderen asiatischen Autobauer all dem trotzen und erfolgreich Autos produzieren?

Das Geheimnis: Toyotas Produktionssystem (TPS)

Die Forscher fanden ihre Antwort im Toyota Produktionssystem (TPS). Dort beobachteten Womack, Jones und Roos eine für den Westen neue Arbeitsweise. Sie gaben ihr den Namen Lean Management. Übersetzt als “Schlankes Management”, fordert dieser Ansatz, dass Prozesse sich auf Kundenorientierung und Kostensenkung ausrichten. Das Lean Management soll, so der Anspruch, zu einem Unternehmen führen, das flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren und keine Ressourcen verschwendet.

Die Veröffentlichung ihrer Funde veränderte die Sichtweise der gesamten Automobilbranche. Auf der ganzen Welt tauchten Lean-Ansätze, -Methoden und -Strategien auf. Auch deutsche Automarken ahmten Lean-Methoden nach. Porsche rettete sich sich aus seiner Insolvenz und die “Großen Drei” der deutschen Automobil-Szene – Volkswagen, Daimler AG und BMW – leiteten eine neue Ära der deutschen Produktion ein. Zwar verschrieben sie dank Lean Management neue Erfolge, “ließen aber unbeachtet, dass Womack, Jones und Roos in ihrer Veröffentlichung nur an der Oberfläche des TPS kratzen”, so Lean-Experte Volkmer im Interview. “Tiefgründige Zusammenhänge blieben sowohl den Forschern als auch einem Großteil der westlichen Welt verborgen.”

Neue Lean-Methoden, aber gleiche Lean-Prinzipien

Das Lean Managements zeigt noch heute ein enormes Entwicklungspotential. Neue Methoden entstehen, wie zum Beispiel in der Kombination mit dem Six Sigma-Managementsystem. Zusätzlich arbeiten Wissenschaftler an der Behebung von Missverständnissen der ursprünglichen Interpretation des TPS. Sie versuchen Lean für ein breiteres Publikum verständlich zu machen. 

Besonders wichtig ist, sich nicht bloß auf Methoden des Lean Managements zu verlassen: Jedes Unternehmen hat unterschiedliche Ziele und Probleme, sodass das Verallgemeinern der spezifischen Vorgehensweise selten zu passenden Resultaten führt. Maßnahmen wie Shop-Floor Management, Just-In-Time, Flache Hierarchie, Null-Fehler oder Empowerment nutzen viele Unternehmen, sind aber ohne das grundlegende Verständnis der Lean-Philosophie langfristig vergeblich. “Viel eher sollte das Unternehmen die Grundidee hinter dem Lean Management verstehen”, empfiehlt Volkmer.

Die folgenden fünf Prinzipien spiegeln die Philosophie des Lean Managements am besten wider:

  1. Kundenorientierung: Im Lean Management stehen die Kundenbedürfnisse an erster Stelle und bilden die Grundlage für alle weiteren Abläufe. Dafür muss der Wert einer jeden Dienstleistung aus Sicht des Kunden interpretiert, beschrieben und definiert werden.
  2. Wertstrom: Alle benötigten Schritte zur Erbringung einer Dienstleistung wird als Wertstrom zusammengefasst. Dieser wird anschließend in seine Bestandteile zerlegt. Diese jeweiligen Einzelprozesse werden daraufhin analysiert und am Wertstrom ausgerichtet.
  3. Fluss-Prinzip: Dieses Prinzip besagt, dass der Wertstrom in einem stetigen Fluss ohne Verzögerungen und Unterbrechungen verlaufen soll.
  4. Pull-Prinzip: Im Gegensatz zu dem Push-Prinzip, bei dem die Produktion so geplant wird um eine maximale Auslastung zu erreichen, richtet sich die Produktion beim Pull-Prinzip nach dem konkreten Bedarf der Kunden. Es sollte also stets rückwärts vom Kunden aus geplant werden.
  5. Kontinuierliche Verbesserung: Im Lean Management kann die Perfektion eines Prozesses niemals erreicht werden. Es wird immer Verbesserungspotenzial geben, sodass Abläufe kontinuierlich hinterfragt und optimiert werden sollten.

Lean Management in der Digitalisierung

Wie sieht jedoch die Zukunft des Lean-Ansatzes im Digitalzeitalter aus? Dass Lean und Digitalisierung zusammengehören, zeigt ein simples Beispiel: Trello. Oder Meistertask. Bei sind digitale Lösungen für die Kanban-Methode. Damals verwendeten die Beschäftigten von Toyota noch Zettel aus Papier, Holzständer und Klammern (siehe Bild). Doch das Potenzial aus Lean, Daten und Digitalisierung ist größer als die digitale Abbildung von Lean-Methoden. 

(Quelle: Global Website Toyota)

In ihrem Insight-Bericht Big Data goes Lean zeigt die Unternehmensberatung McKinsey beispielsweise, wie es in Chemie, Elektronik, Bergbau und Metalle sowie Pharma funktionieren kann. So berichten die drei Autoren des Berichts, Rajat Dhawan, Kunwar Singh und Ashish Tuteja, von einem Stahlunternehmen, das seit mehr als 15 Jahren Lean-Prinzipien umsetzt. Mithilfe von Analytics verbesserte das Unternehmen seine jährliche Marge um 200 Millionen US-Dollar. Dafür wurden Simulationen auf Basis der historischen Anlagendaten durchgeführt, um Unsicherheiten entlang der Wertschöpfungskette in der Produktion zu erkennen. 

Datenkompetenz der Beschäftigten fundamentale Voraussetzung

Ralf Volkmer erkennt diesen Nutzen von Analytics und Daten in der Lean-Praxis ebenfalls. Zugleich mahnt er im Interview. Die bloße Fokussierung auf die Optimierung von Prozessen, führe zu einer Verzerrung des Lean-Ansatzes in der Praxis. “Ein schlechter Prozess bleibt dann auch ein schlechter Prozess, wenn er digitalisiert ist.” Stattdessen müsse der Mensch in den Vordergrund gerückt werden. “Dabei ist es egal, ob als Führungskraft, als Mitarbeiter oder als Konsument.” Damit meint er, dass Menschen in Organisationen nicht zu “Getriebenen” von Daten und Kennzahlen werden dürfen. 

Der Lean-Experte erachtet es als fundamental wichtig an, die Datenkompetenz bei den Beschäftigten zu fördern. Nur so könne eine Lean-Praxis realisiert werden, die erfolgreich mit Analytics zusammenwirkt. “Themen wie Analytics, Big Data, Industrie 4.0 und Künstliche Intelligenz sind wichtig und müssen in Organisationen unbedingt Anwendung finden. Der Mensch aber muss in der Lage sein, mit diesen Daten umzugehen.” Sein Einwand erinnert sehr an das Jidōka-Prinzip. “Unternehmen, die diesen Zusammenhang nicht erkennen”, warnt Volkmer in seinem Resümee, “werden den Lean-Ansatz auch im Digitalzeitalter missverstehen.”

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