Immer mehr Menschen gehen auf digitale Shopping-Tour: Die Einkaufstüten tragen dann Zustellkräfte in Form von Umschlägen, Päckchen und Paketen an die Haustüre. Die Pandemie hat diesem Trend einen zusätzlichen Schub gegeben. Die Branche kämpft gegen den schlechten Ruf.

Letzte Meile: KEP-Branche bietet beste Arbeitschancen

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Immer mehr Menschen gehen auf digitale Shopping-Tour: Die Einkaufstüten tragen dann Zustellkräfte in Form von Umschlägen, Päckchen und Paketen an die Haustüre. Die Pandemie hat diesem Trend einen zusätzlichen Schub gegeben. Die Branche kämpft gegen den schlechten Ruf.

Bei der Personalsuche legen Arbeitgeber Wert auf zuverlässige und motivierte Kandidatinnen und Kandidaten, idealerweise mit berufspraktischen Erfahrungen und guten Deutschkenntnissen. Im Gegenzug drücken sie ein Auge zu, was formale Nachweise anbelangt, wie der aktuelle DEKRA Arbeitsmarkt-Report 2021 zeigt. Dies eröffnet Quereinsteigern und Jobsuchenden ohne Ausbildung beste Chancen. Außerdem scheint sich in Sachen Zusatzleistungen etwas bewegt zu haben.

Wie schon 2017 wurden 350 Stellenangebote für Zustellkräfte in der Kurier-, Express- und Paketbranche (KEP-Branche) analysiert. Im Fokus standen dabei die Aufgaben, die Jobsuchende am neuen Arbeitsplatz erwarten und welche Kompetenzen und Fähigkeiten Arbeitgeber von KEP-Fahrerinnen und -Fahrern erwarten.

Reibungslose Prozesse haben Priorität

An ihrer zukünftigen Arbeitsstelle transportieren die gesuchten Mitarbeitenden am häufigsten Briefsendungen (38,6 Prozent) sowie Zeitungen und Prospekte (27,7 Prozent). In jeder vierten Jobbeschreibung werden explizit Pakete als Transportgut erwähnt. Neben der eigentlichen Zustelltätigkeit erwähnen etwa sechs von zehn Arbeitgebern Aufgaben beziehungsweise praktische Erfahrungen, die sie von Bewerbenden erwarten (57,4 Prozent).
 
Bei Mitarbeitenden achten sie insbesondere darauf, dass sie Fahrzeuge umsichtig beladen und die Waren sicher im Transportfahrzeug verstauen. Dementsprechend finden sich Kenntnisse in der Ladungssicherung weiterhin an erster Stelle der gewünschten praktischen Erfahrungen. Im Vergleich zu 2017 haben sie noch an Bedeutung gewonnen. Kein Wunder: Defekte Waren verursachen Kosten und verärgern Kunden, die auf ihre Bestellung warten. Im hart umkämpften Markt können sich KEP-Dienstleister keine Imageverluste oder Unzuverlässigkeit leisten.
 
Das Sortieren von Sendungen wird in den Stellenbeschreibungen zwar nicht mehr ganz so oft erwähnt, dürfte aber weiterhin ein wichtiger Teil des Arbeitsalltages sein. Denn je sorgfältiger die Beschäftigten Paket- und Briefsendungen sortieren, desto reibungsloser verläuft der eng getaktete Zustellprozess. Vergleichsweise selten wird Know-how im Umgang mit PC oder Scannern erwähnt. Vermutlich sind die Geräte mittlerweile oft intuitiv bedienbar und wer ein Smartphone nutzt, ist dazu auch bei einem Handscanner in der Lage. Viele KEP-Dienstleister haben auf eine kontaktlose Übergabe umgestellt, um das Infektionsrisiko zu minimieren. Dementsprechend nimmt die Dokumentation nun größeren Raum ein als noch vor vier Jahren.

Geringe Einstiegshürden

Die Fahrerlaubnis ist eine Grundvoraussetzung für den Beruf. Jeder zweite Arbeitgeber erwähnt explizit, dass Bewerbende einen Führerschein der Klasse B benötigen. Immerhin 21 der gesuchten Fahrerinnen und Fahrer müssen zudem in der Lage sein, einen Lkw zu lenken.
 
Was formelle Berufsabschlüsse und Zertifikate betrifft, sind die Dienstleister großzügig: Nur für jede vierte Position verlangen sie überhaupt entsprechende Nachweise. Jobsuchende benötigen am häufigsten ein makelloses Führungszeugnis, um sich auf eine der ausgeschriebenen Stellen bewerben zu können (11,7 Prozent). Zum Vergleich: Vor vier Jahren war ein solches für jede fünfte Position Voraussetzung (19,8 Prozent). Der Wunsch nach einer Berufsausbildung findet sich nur selten in den Anforderungsprofilen: Hin und wieder sollen die gesuchten Zustellkräfte eine Berufskraftfahrer-Ausbildung (3,4 Prozent) mitbringen oder es sind Kaufleute für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen eingeladen, sich zu bewerben (2,9 Prozent).
 
Personalabteilungen achten jedoch verstärkt auf die Sprachkenntnisse von Bewerbenden: In explizit drei von zehn Fällen müssen sie Deutsch in Wort und Schrift beherrschen (2017: 23,4 Prozent). In anderen Fällen werden allgemein Deutschkenntnisse gewünscht (13,4 Prozent). Damit reagieren Arbeitgeber offensichtlich auf die oft beklagte babylonische Sprachverwirrung an der Haustüre.

Soft-Skill-Klassiker bleiben wichtig

Zuverlässig, belastbar und motiviert – so kann man die Idealvorstellung der Persönlichkeit von Zustellkräften zusammenfassen. Diese Soft Skills finden sich, mit Ausnahme von Motivation, jedoch seltener in den Offerten als in der Vergangenheit. Interessant ist auch, wie sich teilweise die Gewichtung verändert hat: Körperliche Belastbarkeit steht zum Beispiel nicht mehr ganz so stark im Vordergrund. Vermutlich gehen Recruiting-Abteilungen davon aus, dass die Stressfaktoren des Berufes hinlänglich bekannt sind und möchten diesen Punkt nicht zusätzlich strapazieren und damit womöglich Interessierte von einer Bewerbung abhalten. Ein positives Erscheinungsbild, gute Umgangsformen sowie Dienstleistungsorientierung sind als Anforderung in den Jobangeboten ebenfalls nicht mehr ganz so oft zu finden. Dennoch ist davon auszugehen, dass Arbeitgeber bei ihren Mitarbeitenden weiterhin auf diese Merkmale achten. Eventuell werden sie heute eher unter dem Stichwort „Verantwortungsbewusstsein und Professionalität“ subsumiert – eine Eigenschaft, die um 9,7 Prozentpunkte zugelegt hat.

Womit Arbeitgeber locken

In der Pandemie wurden Paketboten oft als systemrelevant bezeichnet. Aber spiegelt sich dies auch in verbesserten Rahmenbedingungen wider? Es deutet manches darauf hin: Häufiger als in der Vergangenheit scheint es einen gewissen Verhandlungsspielraum in puncto Gehalt zu geben, wie die Aussage „Bezahlung nach Vereinbarung“ zeigt (2021: 17,1 Prozent vs. 2017: 4,3 Prozent). Außerdem machen sich eine Ausbildung oder einschlägige Berufspraxis auf dem Lohnzettel bemerkbar: Gut jeder zehnte Arbeitgeber honoriert berufsspezifische Fähigkeiten sowie besonderen Einsatz (im Vergleich: 2017: 4,7 Prozent). Bei den Zusatzleistungen hat sich ebenfalls etwas getan, so bekommt zum Beispiel gut jeder fünfte Beschäftigte seine Arbeitskleidung gestellt (2017: 5,8 Prozent). Auch Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld sind nun verbreiteter.
 
„In unserer Analyse finden sich Hinweise, dass Arbeitgeber auf den leergefegten Bewerbermarkt reagieren“, sagt Katrin Haupt, Geschäftsführerin der DEKRA Akademie. „Sie haben formale Hürden weiter gesenkt, legen bei Jobsuchenden aber dennoch Wert auf einen Mindeststandard in Bezug auf Soft Skills oder Deutschkenntnisse. Und nicht zuletzt scheint sich im Bereich der Vergütung und Zusatzleistungen etwas bewegt zu haben.“

Wie Gorillas auf den schlechten Ruf reagiert

Eines der Unternehmen, die ihre Beschäftigten durch verbesserte Rahmenbedingungen ihre Systemrelevanz widerspiegeln möchten, ist der Lebensmittellieferdienst Gorillas.
In einem kürzlich in der Frankfurter Allgemeinen veröffentlichten Artikel reagiert Gorillas Geschäftsführer, Kağan Sümer, auf das schlechte Image, das auf Lieferdiensten lastet.
 
Auf Rückfrage durch die FAZ, ob Gorillas seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ausbeute, reagiert er klar: „Wir bei Gorillas bestimmt nicht“. Er betont: „Bei uns sind alle Fahrer angestellt. Damit heben wir uns bewusst von der Gig Economy und der Konkurrenz ab, wo die Fahrer oft ’selbständig‘ sind. Unsere Rider haben eine Festanstellung inklusive Sozialversicherungen.“ Dennoch stellt er fest: Perfekt läuft es auch bei ihnen nicht.
 
So merkten Driver, wie Mitarbeiter:innen in der Branche auch bezeichnet werden, häufig an, dass Räder defekt oder Rucksäcke zu schwer seien. Sümer entgegnet gegenüber der FAZ, dass er die Kritik ernst nehme. So stellt Gorillas nun beispielsweise in „Deutschland, Holland und Belgien auf Lastenräder um, sodass die Rider gar kein Gewicht auf dem Rücken haben.“ Auch stocken sie „das Personal in den Werkstätten auf, damit die Räder schneller repariert werden.“
 
Auch in ihrem Blogbeitrag 11 Dinge, die du über Gorillas wissen musst betonen sie als Reaktion auf den negativen Ruf: „Unsere Rider erhalten […] Ausrüstungsgegenstände kostenlos zur Verfügung gestellt. Dazu gehören Helme, Rucksäcke und Funktionskleidung wie Regenjacken und Regenhosen mit Füßlingen.“ Und mehr noch, ihre Fahrer und Fahrerinnen „können sich außerdem in Pausen und bei Regen in eigens eingerichteten Pausenräumen in unseren Warehouses aufhalten“. Eine Besonderheit, denn bei anderen Diensten, so Gorillas, „warten LieferantInnen zwischen Lieferungen auf der Straße“. Auch zeigt Gorillas nach eigenen Angaben seinen Beschäftigten Wertschätzung durch kostenlose Getränke und Snacks.

Fazit: Neue Chancen durch Corona-Pandemie

Die Lieferdienst-Branche ist ihren Kinderschuhen entwachsen. Services rund um die Bedienung der letzten Meile auf dem Weg zum Endkunden sind sogar ein Innovationstreiber mit einem Milliardenmarkt geworden. Trotzdem stehen die Unternehmen noch am Anfang. Dies gilt für die Arbeitsbedingungen, wie der DEKRA-Arbeitsmarkt herausgearbeitet hat. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass das Innovationspotenzial dieser neuen Branche nicht abgeschlossen ist. Im Gegenteil – hier darf man auf weitere Überraschungen gefasst sein.
(dekra/gorillas/futureorg/iovolution)

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