China macht in der Digitalisierung große Fortschritte. Gleichzeitig führt sie zunehmend rigide Regulierungen ein. Eine Analyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft zeigt die Risiken für deutsche Unternehmen auf. Der China- und Asien-Experte Armin Reinartz teilt diese Einschätzungen. Er empfiehlt Unternehmen, den Blick auf Ost- und Südostasien zu erweitern

Chinas Digitalisierungsstrategie: Eine Bedrohung europäischer Geschäftsmodelle?

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China macht in der Digitalisierung große Fortschritte. Gleichzeitig führt sie zunehmend rigide Regulierungen ein. Eine Analyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft zeigt die Risiken für deutsche Unternehmen auf. Der China- und Asien-Experte Armin Reinartz teilt diese Einschätzungen. Er empfiehlt Unternehmen, den Blick auf Ost- und Südostasien zu erweitern

China verfolgt hochgesteckte Ziele, wie die Digitalisierung, welche die Wirtschaft ankurbeln und zur politischen Stabilität beitragen soll. Den Rahmen dafür bildet die Digitalisierungsverordnung des Landes. Eine Fülle von Gesetzen und Entwürfen regelt den Zugang zu und die Nutzung von Daten, den Verbraucherschutz und die Cybersicherheit. Problematisch ist aus europäischer Sicht, dass die meisten dieser Regelungen einen breiten Anwendungsbereich haben.

Sie erlauben weitreichende Zugriffsmöglichkeiten für den chinesischen Staat, wie etwa den Zugriff auf geschützte Daten. Ebenso gibt es strenge Auflagen für die Datenspeicherung und den Datentransfer ins Ausland sowie für das Sozialkreditsystem, das Daten über Einzelpersonen, aber vor allem über Unternehmen sammelt. Wenn ein ausländisches Unternehmen in diesem System eine niedrige Bewertung erhält, kann die chinesische Regierung die Geschäftstätigkeit erschweren.
 
Ein weiteres strukturierendes Element der chinesischen Digitalpolitik ist die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Staat und Partei. Sie äußert sich beispielsweise darin, dass ausländischen Technologieunternehmen der Marktzugang verwehrt wird, um inländische Firmen zu schützen. Gleichzeitig versucht China, durch die Entwicklung eigener Soft- und Hardware sowie durch die aktive Mitarbeit in Standardisierungsgremien internationalen Einfluss im digitalen Bereich zu gewinnen.

Auswirkungen auf europäische Geschäftsmodelle

Diese umfassende chinesische Digitalregulierung bringt Kosten und Risiken für europäische Unternehmen. Besonders für jene, die in China vertreten sind. Dazu gehören Kosten für die Beachtung und Einhaltung der Vorschriften, Sanktionsrisiken bei Verstößen und die unfreiwilligen Datenweitergabe. Gleichzeitig stellen die Größe und die Dynamik des chinesischen Marktes nach wie vor eine große Chance für europäische Unternehmen dar.
 
Die zunehmende Regulierung des digitalen Bereichs könnte die China-Strategie europäischer Unternehmen verändern. Aufgrund von regulatorischen Anforderungen und dem sich abzeichnenden Trend zur Entkopplung könnten europäische Unternehmen in China gezwungen sein, dort autarke digitale Systeme aufzubauen, um den Markt weiterhin bedienen zu können. Eine Verlagerung nach China wäre mit einer Bedrohung für das Geschäftsmodell vieler europäischer Länder verbunden.

Ergebnisse einer Umfrage unter 1100 deutschen Unternehmen

Um diese Annahme zu überprüfen, wurde Ende 2020 eine Unternehmensbefragung unter 1.100 deutschen Unternehmen aus Industrie und industrienahen Dienstleistungen durchgeführt. Neben Fragen zu ihren Geschäften mit China wurden sie zu Trends des Strukturwandels und ihren diesbezüglichen Erwartungen für die nahe Zukunft befragt.
 
  • Mehr als die Hälfte der befragten deutschen Unternehmen erwartet, dass der chinesische Markt aufgrund der regulatorischen Unterschiede in der Digitalisierung kaum noch durch Exporte, sondern zunehmend nur noch durch Produktion in China bedient werden kann.
  • Bei den Unternehmen mit Produktion in China, die einen noch tieferen Einblick haben, liegt dieser Wert sogar bei 55 Prozent. Eine solche Entwicklung würde das Exportmodell vieler deutscher Unternehmen untergraben, die durch Exporte aus Deutschland den chinesischen Markt bedienen und damit Arbeitsplätze in der EU sichern.

Vier von fünf deutschen Unternehmen erwarten Wettbewerbsvorteil Chinas

Überdies scheinen sich weitere Bedrohungen für europäische Geschäftsmodelle abzuzeichnen. So erwarten etwa vier von fünf der befragten deutschen Unternehmen, dass chinesische Unternehmen aufgrund der Digitalisierungsinvestitionen des chinesischen Staates in den kommenden Jahren einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil haben werden. Dies sollte als deutliches Warnsignal an die deutsche und EU Politik verstanden werden, dass eine zu zögerliche und vorsichtige Digitalisierungsstrategie die europäischen Geschäftsmodelle gefährden könnte.
 
„Eine moderne und funktionierende digitale Infrastruktur ist sicherlich Grundbedingung, um überhaupt international wettbewerbsfähig zu bleiben. Da wurde in Deutschland lange viel verschlafen“, betont Armin Reinartz. Der Unternehmensberater mit einem Abschluss in Public Policy der Peking University sowie in Contemporary East Asian Studies entwarnt jedoch auch: „Gleichzeitig haben chinesische Unternehmen durch massive Internetzensur und die ‚Great Firewall‘ der Regierung auch viele Wettbewerbsnachteile.“
Picture of Armin Reinartz

Armin Reinartz

Nach seinem Studium der Chinawissenschaften in Köln und Duisburg sowie Public Policy an der Peking Universität war Armin Reinartz Analyst und Projektmanager im Regionalbüro Asien der Friedrich Naumann Stiftung in Bangkok. 2017 baute er das „Global Innovation Hub & Greater China" Büro der Stiftung in Hong Kong auf und war dort bis Mitte 2020 Leiter.

2021 gründete er ARC Consulting, um NGOs, Verantwortlichen in der Politik und SME weltweit bei ihren Herausforderungen im erfolgreichen Umgang mit China sowie den großen globalen Zukunftstrends zu unterstützen.

So rät Reinartz, Deutschland solle sich bei Investitionen in die digitale Infrastruktur viel eher an Ländern orientieren, die im Vergleich der Digitalisierung und Infrastruktur deutlich vor China liegen und hinsichtlich Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit besser mit unseren Bedingungen kompatibel sind, wie beispielsweise Taiwan, Singapur oder Korea.

Deutsche Marktwirtschaft vor Abkopplung schützen

Problematisch wäre es auch, wenn sich die Abkopplungstendenzen noch weiter ausweiten, weil China seinen digitalen Einflussbereich auf andere Länder ausdehnt. Diese Entwicklung würde die europäischen Exporteure dann auch dort mit zunehmenden Schwierigkeiten konfrontieren. Dazu passt, dass rund 80 Prozent der befragten deutschen Unternehmen erwarten, dass China im Rahmen der Belt and Road Initiative seine digitalen Standards auf andere Länder ausdehnt.
 
Die Europäische Union und Deutschland haben noch einige Mittel zu Verfügung, um die eigenen Unternehmen und vor allem marktwirtschaftliche Prinzipien, wirtschaftliche Entwicklung und Unabhängigkeit zu schützen, ist Reinartz überzeugt. Dabei wäre es beispielsweise ein guter Anfang, auf gleiche Rahmenbedingungen für EU-Unternehmen in China zu bestehen, wie sie chinesische Unternehmen in der EU erhalten. Auch klare Gegensanktionen bei politischen Maßnahmen gegen einzelne Staaten oder Unternehmen würden Wirkung zeigen.
 
„Als deutsches Unternehmen muss man sich angesichts der stetig steigenden Risiken in Bezug auf China sicherlich fragen, ob und in welcher Form man dort aktiv sein muss und welche vielen Alternativen in der Welt man bislang übersehen hat. Viele Unternehmen haben zu lange einen zu starken Fokus alleine auf China gelegt und die Chancen in vielen Ländern in Ost- und Südostasien oder auch vor der Haustür in der EU bislang verschlafen“, resümiert Armin Reinartz. (iwkoeln.de/futureorg/iovolution)

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